Sammeln an der Steilküste Heiligenhafen
Text und Bilder: Karl-Heinz Zimmer
Der Küstenabschnitt in Ostholstein, den man im Allgemeinen als „Steilküste Heiligenhafen“ bezeichnet, ist den meisten Fossiliensammlern aus dem Norden wahrscheinlich wohlbekannt. Etliche haben diesen Küstensaum sicher auch bereits unter die Lupe genommen. Insbesondere unter denjenigen Sammlern, die überwiegend, oder auch sporadisch, im Geschiebe Ihr Glück versuchen, hat dieser Teil der Küste einen guten Namen; oder hatte?
Viele Fossilienfreunde sind der Auffassung, daß sich das Sammeln entlang der heiligenhafener Steilküste nicht mehr lohnt, da diese Strecke bereits größtenteils ausgebeutet wurde und sich ein Besuch dort kaum als lohnend erweisen würde. Sie bedenken dabei aber nicht, daß dieser Küstenabschnitt immer noch ein sehr aktives Kliff ist und ständiger Abrasion unterliegt. Es finden also fast nach jedem Sturm neue fossilienhaltige Steine ihren Weg ans Tageslicht. Man muß sie nur noch entdecken. Sicherlich ist das Sammeln an dieser (und anderen) Küstenabschnitten oftmals mühsam. Denn obwohl sich rundum zumeist ein überaus beschaulicher Anblick bietet läuft man doch zumeist in mehr oder weniger gebückter Haltung am Strand entlang; den Blick zum Boden gerichtet und den Hammer immer griffbereit, um jederzeit dem gerade auserwählten Stein den Garaus zu machen. An manchen Tagen besteht allerdings die einzige Ausbeute aus jeder Menge selbst produzierter Steintrümmer, die keinerlei ersichtliche Fossilien irgendeiner Art enthalten.
Man muß sich dann damit trösten, auf jeden Fall einen fantastischen Spaziergang an der frischen Seeluft hinter sich gebracht zu haben; egal wie auch das Wetter gewesen sein mag. An anderen Tagen wiederum kann man sich vor Fundmaterial kaum retten und so ein Rucksack kann ganz schön schwer werden auf der Strecke. Wenn man bei dem Campingplatz „Blank Eck“ (direkt neben dem Begrenzungszaun des Truppen Übungsplatzes Putlos gelegen) seine Tour entlang der Steilküste beginnt, dann hat man bis zum Ende, am Leuchtturm Heiligenhafen, ca. 6 km zurückgelegt. Die umgekehrte Strecke dürfte in etwa genau so lang sein. Man kann natürlich, wenn man keine Möglichkeit hat, sich am jeweils anderen Ende aufpicken zu lassen, einen Teil des Weges gehen, dann umdrehen und wieder zu seinem Wagen zurückkehren. Zugegeben, die imposanten Funde aus dem Geschiebe vor Augen die bereits gemacht wurden, auch die von Heiligenhafen, dann macht sich manchmal am Ende der Sammeltour, wenn ich wieder mal nichts gefunden habe, schon leichte Resignation breit. Dieses Gefühl hält aber nicht sehr lange an, denn bisher konnte ich fast immer etwas mit nach Hause bringen. Zumeist Fossilien aus dem Silur. Beyrichien-Kalke findet man so ziemlich jedes Mal in vielen Bandbreiten. Was diese Kalke an Fossilien enthalten ist mannigfaltig und, ich zumindest, werde nicht müde, mir diese Steine unter dem Mikroskop zu betrachten und die Variationen zu Bewundern und zu dokumentieren.
Bei fast jedem Besuch ist es mir bis heute auch gelungen zumindest ein oder zwei Trilobiten Schwanz- oder Kopfschilde zu finden. Meist klein, aber oh ho. Einen annähernd kompletten Trilobiten (Ogmasaphus praetextus) zu finden, ist mir allerdings bisher dort nur einmal gelungen. Die Bandbreite der Fossilien, aus allen voreiszeitlichen Epochen, die hier entdeckt werden können, ist kaum zu überblicken; zumindest dann nicht, wenn man nicht nur schöne Ammoniten oder Ähnliches als sammlungswürdige Fossilien ansieht. Aber jeder nach seiner Fasson - so viele Fossiliensammler, so viele unterschiedliche Liebhabereien. Für mich bietet, insbesondere die Steilküste Heiligenhafen, zusammen mit etlichen weiteren Ostsee Küstenabschnitten mit Steilküste, eine einigermaßen gesicherte Fundbreite; eine schöne Wegstrecke beim Sammeln und last but not least, eine gute Alternative zu den Kiesgruben, die man ja legal kaum noch besuchen kann. Etwas liegt mir noch am Herzen. Die Stadt Heiligenhafen hat ein kleines Heimatkundemuseum, das im oberen Stock eine Sammlung überaus sehenswerter Fossilien, explizit von der heiligenhafener Steilküste, beherbergt.
Wer die Gelegenheit hat, sollte sich einen Besuch gönnen. Es lohnt sich sicher.