Klaus Vöge
Durch die Muskelfasern sind sie beweglich auf den Warzenköpfen befestigt. Die Stacheln dienen vorwiegend zum Schutz, aber auch zur Fortbewegung. Einige Seeigel bohren sich mit Hilfe der Stacheln und der Zähne in harten Felsen, ja sogar in Stahlpfeiler. Der Warzenkopf sitzt fest auf der Schale. Der Kalk hat hier ein festeres Gefüge als das übrige Gehäuse und ist ungewöhnlich glatt. Die Stachelpfanne liegt am unteren Ende des Stachels. Die Pfanne des Stachels ist klein ausgelegt und sichert damit eine größere Beweglichkeit auf der Corona. Oberhalb der Pfanne trägt der Stachel einen gezähnten Rand, der zur Befestigung der Muskelfasern dient. Ungefähr dreißig Muskelstränge umgeben das Stachelgelenk und drücken die Pfanne auf die Kugel. Die Muskeln, die den Stachel mit dem Warzenkopf verbinden, zerfallen in zwei getrennte Schichten. Die inneren bestehen aus weißen, langsamen Schichten (der Sperrmuskulatur). Die äußeren bestehen aus durchsichtigen, flinken Muskeln (der Bewegungsmuskulatur).
Schnitt durch einen regulären Seeigelstachel
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ein Seeigelstachel
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Der Stachel unterteilt sich in: Den Stachelkopf, das verdickte, basale Ende mit Stachelpfanne und Muskelansatzring, den Stachelhals, der etwas eingeschnürte Teil und den Stachelschaft oder –körper der rauhe, dornige oder gestreifte Hauptteil des Stachels. Die Stacheln werden, wie die Gehäuseplatten, von einem bewimperten Epidermisüberzug bedeckt. In der Epidermis befinden sich die Drüsenzellen und Nervenfasern. An der Spitze des Stachels wird die Schicht häufig abgerieben und durch eine Kalkinkrustation ersetzt. Bei vielen Seeigeln stehen rings um die Stachelwarzen kleinere Warzen für die Sekundärstacheln, welche bei Gefahr einen Schutzmantel um die muskelreiche Basis der Hauptstachel bildet. Die Sekundärstacheln können auch zwischen den Füßchen auf den Ambulakralfeldern stehen.
Das Gelenk der Stacheln: Gelenkkugel/Gelenkpfanne/Muskelansätze
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Die Epidermisschicht
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Die Sekundärstacheln am Stachelfuß
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Die Muskeln fixieren die Stacheln
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Wenn man die Haut eines Seeigels mechanisch reizt, so neigen sich Stacheln als Barriere dem Reizort zu. Es reagiert die Bewegungsmuskulatur. Die Zahl der sich neigenden Stacheln nimmt entsprechend der Reizung zu. Ist der Reiz von kurzer Dauer, schwingen die Stacheln in ihre Ruhestellung zurück. Bei längerer Reizdauer wird außer der Bewegungsmuskulatur auch die Sperrmuskulatur aktiviert. Dann verharren die Stacheln in der dem Reizort zugeneigten Stellung. Sie lassen sich durch keinen Druck bewegen und brechen eher ab oder springen aus dem Gelenk. Bei einem chemischen Reiz (wenn z.B. sich ein Seestern nähert) wird dagegen die starke Form des Stachelreflexes angesprochen. Bei diesem Reflex legen sich die Stacheln zur Seite und die globiferen Pedicellarien (Giftzangen) treten in Aktion, unterstützt von den tridenteten Zangen (Klappzangen).
Der Seeigel in Ruhestellung
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Abwehr bei leichter Berührung
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Verteidigung bei chem. Reiz
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Eine Frage stellt uns der Seeigel, die noch nicht geklärt ist. Die sehr beweglichen Pedicellarien sind laufend in Gefahr, in die eigenen Stacheln zu beißen. Damit dieses nicht geschieht, hat der Igel einen Stoff entwickelt, der dieses verhindert. Der Beweis sieht folgendermaßen aus: Berührt man mit einem Stachel des eigenen Seeigel eine Pedicellarie, so geschieht nichts. Kocht man diesen Stachel aus und wiederholt den Versuch, so schnappt die Pedicellarie zu. Dieses nennt man Autodermophilie.
Die Frage ob die Seeigel sich mit ihren Stacheln oder ihren Saugfüßchen bewegen, kann durch „mit beiden“ beantwortet werden. So wird bei vielen Seeigeln die ruhige Vorwärtsbewegung durch die Ambulakralfüßchen bewältigt. An vertikalen Glasscheiben und Steinen bewegt sich der Igel nur durch die Ambulakralfüßchen. Ebenso können alle Seeigelarten allein mit den Stacheln marschieren. Wenn dem Igel Gefahr droht und er auf der Flucht ist, kommen die Stacheln zum Einsatz. Hier setzen die Reflexe der Stacheln ein, um schnell aus der Gefahrenzone zu kommen. Auch wenn diese Flucht sehr diszipliniert erscheint (z.T. bewegen sich die Stacheln im Gleichschritt), gibt es kein Zentrum, dass die Gehbewegungen koordiniert. Dieses bewirken nur die Reflexe der einzelnen Stacheln.
auf den Stacheln..
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..ist der Seeigel unterwegs
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Auch die Wassertemperatur beeinflusst die Gehgeschwindigkeit. Bei 22 Grad führt der Seeigel doppelt so viele Schritte durch wie bei 13 Grad. Bei den Gehbewegungen sind die gesamten Stacheln des Igels beteiligt. So wird ein Körper, der dem gehenden Igel aufgelegt wird, ebenso von der Vorderseite zur Rückseite des Igels wandern, wie die Stelle auf dem Erdboden. Wenn ein Seeigel auf dem Rücken zu liegen kommt, besitzen alle Tiere die Fähigkeit, sich wieder in die Normallage zu begeben. Auch hier spielen wieder die Stacheln mit den Saugfüßchen zusammen. Bei den langstacheligen Igeln schaffen es die Stacheln meistens allein. Bei den kurzstacheligen setzt eine Gehbewegung ein, bis der Seeigel an eine Schräge oder einen feststehenden Gegenstand kommt. Jetzt arbeiten Stacheln und Füßchen zusammen und richten das Tier wieder auf. Falls das Tier nicht in die Normalstellung kommt, verendet es.
Stachel, Bewegungsmuskel, Sperrmuskel und Epidermis mit Ringnerv
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Bedingt durch die Lebensweise der irregulären Seeigel (teilweise oder ganz im Sediment lebend) sind die Stacheln der Irregulären fast alle zu kleinen Borsten umgestaltet. Sie dienen weniger dem Schutz als mehr der Fortbewegung und dem Materialtransport. Die Seeigel tragen ein regelrechtes Fell, so dicht sind die kleinen Stacheln auf der Corona angelegt. Wie alle Stachel sitzen sie auf einem Kugelgelenk und sind löffelförmig ausgebildet. Da die Löffel hauptsächlich zum Sandtransport benötigt werden, ist auch die Muskulatur darauf eingerichtet. Da die Stacheln keine Abwehrreaktionen zeigen müssen, ist die Sperrmuskulatur nur sehr gering ausgebildet. Die Bewegungsmuskeln sind auch sehr unterschiedlich groß. Die Muskeln auf der Unterseite der Stacheln sind relativ klein gegenüber den Muskeln auf der Oberseite der Stachen. Diese müssen die größere Leistung bringen, wenn sie mit dem Löffel den Sand bewegen müssen. Das heisst, dass die Löffelform immer nach außen zeigt.
Maretia planulata in“Stachelfell“
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Stachel vom Echinocardium
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Stachel vom Dendraster
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Da fossile Stacheln von irregulären Seeigeln kaum bekannt sind, muss man sie fast alle mit den rezenten Stacheln vergleichen. Die meisten sind klein, löffelförmig, in Wabenform und hohl.
Seeigel bevölkern seit über 500 Mill. Jahre die Weltmeere in vielen Formen.
Archaeocidaris blairi Karbon (330 Mill J.)
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Archaeocidaris rosica Karbon (330 Mill J.)
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Die bekanntesten sind die kleinen, runden, regulären Seeigel, die sich mit ihren spitzen Stacheln gegen Fressfeinde und unvorsichtige Strandbesucher schützen. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die einzelnen Stacheln der Seeigel aus einem einzigen Calcit-Kristall bestehen. Was hat der Seeigel gemacht, damit seine Stacheln wesentlich bruchfester sind, als das im Meer leicht verfügbare Calcit (CaCO3). Damit er fest, aber nicht spröde ist, baut der Seeigel Eiweißstoffe (Proteine) in das Kristallgitter der Stacheln ein, um das Splittern zu verhindern. Die selektive Auslese von vielen Mill. Jahren Evolution haben einen stabilen Stachel in stoffdurchlässigem Leichtbauwerkstoff erbracht. Gleichzeitig hat der Seeigel noch die materialsparende Wabenbauweise verwendet. Das bedeutet, dass einige Stacheln von rezenten Seeigeln in Wabenform gebaut sind und auch noch hohl sind. In den Hohlräumen sind organisches Material und Zellen eingelagert, mit deren Hilfe der Stachel wachsen kann und Brüche oder Risse ausgeheilt werden können. Wenn ein Stachel abbricht, ist der Seeigel in der Lage, dass er innerhalb von wenigen Tagen nachwächst. Jetzt konnte im Weizmann Institut gezeigt werden, wie der Seeigel dieses schafft. Das Material wird in einer nicht-kristallinen Form gesammelt und von der Basis des gebrochenen Stachels bis zur Bruchstelle geschoben. Hier verwandelt sich das amorphe Material innerhalb weniger Stunden in ein Calcit-Kristall, in dem sich die Moleküle in gleichmäßige Gitterformationen aufreihen. Aus dem Stumpf wachsen mikroskopische Nadeln, die sich danach zu seiner Art entsprechenden Gitterstruktur formieren. Die kristalline Struktur des alten Stachels stellt eine Art Schablone für die Aneinanderreihung der Moleküle in den Kristallen dar und gibt das komplizierte, genaue Muster des nachwachsenden Stachels vor. Bei rezenten Echiniden kann der mikroskopische Aufbau der Primärstacheln zum Bestimmen der Art genutzt werden.
Echinus esculentus rezent
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Stachelschaft
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Querschnitt eines Stachels
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Diadema syvignyi rezent
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Geschuppt mit Spitzen
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hohler Stachel
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Bei fossilen Stacheln ist diese Bedeutung stark eingeschränkt. Durch die Calcit-Kristallisierung (Auskristallisierung der Zwischenräume im Stachel) sind die Strukturen des Stachelquerschnittes nicht mehr sichtbar. Aber auch die äußeren Formen der Stacheln sind zur Bestimmung geeignet. Jedoch sind die Stacheln unterschiedlicher Arten des öfteren sehr ähnlich, oder die unterschiedlichen Arten sind nur an den Stacheln zu erkennen.
Acrosalenia hemicidaroides Jura
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Langer gegabelter Stachel
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Kristallisierte Bruchstelle
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Tylocidaris baltica Kreide
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Verschiedene Stacheln
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Struktur nicht zu erkennen
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Das bedeutet, dass isolierte Stacheln meistens nicht den entsprechenden Coronen zugeordnet werden können. Mit Sicherheit ist dieses nur möglich, wenn Gehäuse mit Stacheln als Beweis gefunden werden. Die Sekundärstacheln sind als Bestimmungshilfe praktisch unbrauchbar, da sie fast alle identisch sind.
Echinocardium cordate rez
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Stachel in Löffelform
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Wabenmuster und hohl
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Dendraster exentricus rez
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Löffelförmige Stacheln
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Oberseite 0,7 mm
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Borstenartige Stacheln
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Verbreiterte Stachelspitze
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Cardiotaxis lehmanni Kreide
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Ein Tipp für die unvorsichtigen Strandbesucher:
Die eingelagerten Proteine sind der Auslöser für die Schmerzen und Infektionen, wenn man sich die Stacheln in den Fuß getreten hat. Einige dieser Eiweißstoffe sind für den Menschen unverträglich und bewirken die Unannehmlichkeiten. Der Tropenarzt empfiehlt beim Tritt in einen Seeigel als erstes auf die Einstichstelle heißes Kerzenwachs zu tropfen, um die hitzeempfindlichen Eiweißstoffe zu zerstören. Danach sollte ein Verband mit frischem Papaya-Fruchtfleisch angelegt werden. Dieser sollte mind. 72 Stunden einwirken. Das Enzym „Papain“ löst den Stachel auf.
Literatur
GRZIMEK Tierleben Weichtiere / Stachelhäuter
W. MARINELLI Handbuch der Biologie Bd VI 1962
ARNO HERMAMM MÜLLER Lehrbuch der Paläozoologie Invertebraten 1989
ANDREAS E: RCHTER Handbuch des Fossiliensammlers
KARL A. v. ZITTEL Grundzüge der Paläontologie 1903
HANS HESS Die fossilen Echinodermen des Schweizer Juras
PATRICE LEBRUN Oursins
KLAUS NICKEL Bionik Stabiler Stachel des Seeigels
HELMUT CÖLFEN BioPro Geniales Bauprinzip der Natur: Seeigelstacheln
HAMBURGER ABENDBLATT Schmerzhaft stabile Stacheln