Der griechische Universalgelehrte Aristoteles (384-322 v.Chr.) verglich den Kieferapparat der Seeigel mit einer Öllampe und nannte dieses Organ Laterne . Später bezeichnete der römische Naturforscher Plinius der Ältere in seiner Enzyklopädie über das antike Wissen den Kauapparat als Laterne des Aristoteles . Dieser Name ist in der Wissenschaft zwischenzeitlich ein gängiger Begriff geworden. Bei den regulären Seeigeln ist die Laterna Aristotelis ein auffallendes Merkmal des Tieres (Abb 1), zu dem es im gesamten Tierreich keinen vergleichbaren Mechanismus gibt.
1 Laterna Aristoteles
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2 Peristom Psamechinus miliaris
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3 Der innere Kauapparat
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Das Peristom (Mundfeld) ist eine relativ große Öffnung an der Unterseite des Tieres. Sichtbar sind die fünf Zähne des Kauapparates und die bewegliche Membrane, die die Zähne umschließt und am Rand der Corona (Gehäuse) angeheftet ist (Abb 2). Die häutige Membrane ist oft mit Kalkplatten und/oder mit Pedicellarien (Greifzangen) bestückt. Diese sind nicht wie die Platten der Corona fest miteinander verbunden, sondern liegen lose auf, damit die Beweglichkeit der Membrane und somit der Zähne nicht beeinträchtigt wird. Erst im Innern der Seeigel ist der als Laterna Aristotelis bezeichnete Kauapparat sichtbar (Abb 3). Dieser Kauapparat besteht bei den regulären Seeigeln aus 30 kalzitischen Skelettstücken.
a. Fünf Pyramiden (Abb 4): Sie sind je ein Verwachsungsprodukt aus zwei Halbpyramiden, die Grundfläche der Pyramide ist gegen das Seeigelinnere gerichtet, die Spitze fehlt und wird durch die Zähne fortgesetzt. Die Seitenflächen, welche die Pyramiden einander zukehren, sind flach und gerillt, in diesen Rillen setzen die interpyramidalen Muskeln an. | |
Zahnsäckchen Pyramide Zahn |
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b. Fünf Zähne (Abb 5): Sie sind leicht gekrümmt und kehren die konkave (äußere) Seite gegen die Achse des Apparates. Mit der konvexen (inneren) Seite sind sie in einer Führungsschiene der Pyramide verankert. Die stetig nachwachsenden Zähne werden in den Zahnsäckchen gebildet und sind im innersten Teil weich, gegen die Spitze zu immer härter. | |
c. Zehn Epiphysen (Abb 6): Jede Pyramide trägt nahe der Basis zwei gesonderte Kalkstückchen, die sogenannten Epiphysen, welche gegeneinander gekrümmt sind und einen geschlossenen Bogen außerhalb der Zahnsäckchen ausbilden. | |
d. Fünf Rotulae (Abb 7): Zwischen den einander zugekehrten Seiten der Pyramiden sind fünf speichenartig angeordnete Kalkstückchen, die Rotulae, eingeklemmt. Sie sorgen zwischen den Rotulae und den beiden Nachbarpyramiden für eine geführte Bewegung. | |
e. Fünf Bogenstücke (Kompass) (Abb 8): Es sind schlanke, gebogene und an den Enden gegabelte Stäbe, die sich über den Rotulae befinden und zur Anheftung von Muskeln dienen. |
Der Kauapparat der regulären Seeigel funktioniert durch eine Vielzahlzahl von Muskeln, die sich an der Arbeit des Kauapparates beteiligen. Da drücken die Protaktormuskeln mit Hilfe der Ambulakralfüßchen den Igel gegen den Untergrund. Die Retraktorenmuskeln öffnen die Pyramiden und somit die Zähne. Nun ziehen die fünf Interpyramidalmuskeln die Pyramiden zusammen und die Zähne führen eine nagende Tätigkeit aus. Auf diese Art wird der mit Algen bewachsene Untergrund abgeweidet. Des Weiteren fressen die Seeigel zerkleinerte Pflanzen, kleine Tiere und Aas. Welche Muskelkraft hinter diesen Kaubewegungen steckt, zeigt der Seeigel, sofern er in der Brandungszone lebt, wenn sich zum Schutz vor den Wellenbewegungen Höhlen in den Untergrund baut. Dieses geschieht nicht nur in weichem Sedimentgestein, sondern auch in Graniten und Basalten. Es gibt Berichte, dass es Seeigel geschafft haben, selbst in Eisenträgern Vertiefungen zu schaffen. Der Rand der Corona (Peristom) ist meistens mit ohrenförmigen Fortsätzen (Abb 9a-c) versehen, die paarig an den Ambulakralfeldern (Auriculae) oder Interambulakralfeldern (Apophyse) stehen und getrennt sind oder zu einem Torbogen verwachsen sind. Sie dienen zur Befestigung der Muskulatur des Kauapparates.
Aurikel-Fortsätze zum Anheften der Muskel
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Bei den irregulären Seeigeln ist der Kauapparat nur bei wenigen Formen im Jugendstadium vorhanden, ansonsten ist er zurückgebildet. Da sie im Sediment leben und sich ausschließlich von Microorganismen ernähren, benötigen sie keine Kauwerkzeuge. Die vorgeschobene Lippe vieler Herzseeigel sorgt dafür, dass ihre Nahrung in den Mund gedrückt wird, wenn sie sich im Sediment vorwärts bewegen (Abb 10a+b).
Irregulärer Seeigel |
Echinocardium |
Leben im Untergrund |
Die Ausnahme bei den Irregulären macht die Ordnung der Clypeasteroida, die einen etwas anders gebauten Kauapparat besitzen (Abb 11). Bedingt durch die starke Abflachung der Seeigel ist der Kauapparat ebenfalls flacher gebaut, indem sich die Zähne und mit ihnen die Pyramiden nach außen umlegen, bis sie fast horizontal zu liegen kommen. Er besteht aus fünf niedrigen, dreieckigen, aus zwei symmetrischen Hälften zusammengesetzten Kiefern und fünf schmalen, gebogenen Zähnen. Diese flachgestellten Zähne können nicht mehr aus der Mundöffnung hervorgedrückt werden und somit auch keine Nahrung ergreifen. Die Nahrung wird von den Füßchen und Pedicellarien der ventralen Ambulakralfurchen zum Mund transportiert.
Kauapparat der Clypeasteroida |
Bei fossilen Seeigeln ist der Kauapparat nur selten erhalten und meistens sehr zerdrückt.
Fossile Seeigel mit Kauapparat |
Acrosalenia hemiocidaris |
Literatur
GRZIMEK Tierleben Weichtiere /Stachelhäuter
W. MARINELLI Handbuch der Biologie Bd VI 1962
ARNO HERMAMM MÜLLER Lehrbuch der Paläozoologie Invertebraten 1989
WILLY KÜKENZHAL Leitfaden für das Zoologische Praktikum 1960
KARL A. V. ZITTEL Grundzüge der Paläontologie 1903
PATRICE LEBRUN Oursins
Reguläre Seeigel:
Psamechinus miliaris |
Psamechinus miliaris |
Echinometra lucunter |
Echinometra lucunter |
Echinus esculentus |
Echinus esculentus |
Astropyga radiata |
Astropyga radiata |
Clypeasteroida:
Mellita isometra |
Mellita isometra |
Laganum depressum |
Laganum depressum |
Encope californicus |
Encope californicus |
Clypeaster rosaceus |
Clypeaster rosaceus |
Echinocyamus pusillus Selbst der Zwerg unter den Seeigeln hat einen Kauapparat |