Der Obere Lias ε (bifrons-Zone) und angrenzende Subzonen in der Region Berg / Oberpfalz: ein Fundbericht

Text und Fotos: Carsten Rohde

Vorbemerkungen zur Geologie von Berg/Oberpfalz
Eine spezielle Stratigraphie von Berg liegt mir nicht vor; jedoch werden auf umliegenden Feldern häufig Fossilien des Oberen Lias, insbesondere des Oberen Lias ε sowie des Lias ζ gefunden, zusammen mit Resten der Monotisbank. Diese wird in Scheßlitz der Unteren commune-Subzone der bifrons-Zone (tc1c) zugerechnet (Röhl/Schmid-Röhl 2005). Es überwiegen Rostren der Gattung Dactyloteuthis BAYLE 1878 zusammen mit Belemniten der Untergattungen Acrocoelites ( Acrocoelites) SCHLEGELMILCH 1998 sowie Acrocoelites (Odontobelus) NAEF 1922.

Überblick der Arten
nach Schlegelmilch (S) und Doyle (D)

tabelle berg

A.   Grabung Berg, Opf. / 8. bis 9.Mai 2009:
Stratigraphische und lithologische Anmerkungen

Am 8. / 9. Mai 2009 wurde in Berg / Oberpfalz eine offizielle Grabung durchgeführt mit dem Ziel, Sedimente und Fauna der crassum-Subzone näher zu erforschen.

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Das wissenschaftliche Grabungsteam (vlnr) Philipe Havlik, Manuela Aiglstorfer und eine studentische Hilfskraft

Mit Hilfe eines Baggers wurden drei Gruben ausgehoben (Abb. 2) und das anfallende Sediment grob sortiert aufgehäuft.

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Die Grabung beginnt

Dieses Verfahren hatte den Vorteil einer zügigen Freilegung der relevanten Schichten; die mangelnde „Sensibilität der Baggerschaufel“ bewirkte andererseits jedoch, dass der Erdaushub mit einer gewissen Großzügigkeit stratigraphisch vorsortiert wurde. Für die Bestimmung der Belemniten können drei Schichten (Sedimenthaufen) grobzoniert herangezogen werden :
a.  ein, aus der im Liegenden abschließenden Monotisbank herausgebrochener Stein mit anhaftendem Sediment, das vermutlich von der stratigraphisch älteren Seite stammt (Schicht 1; Oberste tenuicostatum-Zone; Abb. 3 Sohle);
b.  lehmige, dunkel ockerbeige Sedimente der sich anschließenden Hauptzone unterschieden nach den der Monotisbank direkt folgenden Schichten mit eingelagerten Belemniten, denen eine auch durch Strahlen mit Eisenpulver nur schwer zu entfernende olivgelbe Mergelschicht anheftet (Schicht 2a; Unterste bifrons-Zone) und den darauf folgenden rund 1m dicken Sedimentschichten
(Schicht 2b; variabilis-Zone) bis zu
c.   einer unterhalb der Lösschicht befindlichen „blauen“ Bank aus Tonmergel (Schicht 3; thouarsense-Zone; Abb. 3 oben).

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Schichtenfolge von Monotisbank (im Liegenden) bis zur thouarsense-Zone


B.   Zum Erhaltungszustand der Belemnitenrostren

 

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Die Rostren der Grabung weisen mehr oder weniger starke Beschädigungen ihrer Oberflächen auf; häufig sind Quer- und Längsbrüche durch Sedimentdruck oder Umlagerungen im Sediment. Hierdurch sind auch die die Alveole umhüllenden Schichten des Rostrum cavum nur selten erhalten.  Abscherbelungen und Auslaugungen der Rostren sind besonders häufig in Rostren der oberflächennahen Schichten. Die rostrale Zerstörung reicht von dünnflächigen Zersetzungen bis hin zu tiefen Mulden und Rinnen (siehe Abb. 4 oben von Rostren  Acrocoelites (Acrocoelites) sp.).


Entstanden sind diese Vertiefungen durch Ätzungen aggressiver Wässer und Entkarbonatisierungen. Dieser chemische Angriff geht so weit, dass nur noch millimeterdicke, flache Fragmente der einst massiven Rostren - zumeist von Dactyloteuthiden - verbleiben (Abb. 4 unten).


Damit jedoch nicht genug. Die Belemniten dienten auf dem Meeresgrund auch als Hartgrund für andere Tiere, z.B. Rankenfußkrebse (Cirripedien, Bild 4 oben rechts), Bohrmuscheln und aufsitzenden Bewuchs von Stromatoporen (Abb. 4 oben links).


C.   Belemniten des Lias ε (und angrenzender Subzonen)

Die Belemniten der Schicht 1
Direkt von der Unterseite der Monotisbank stammt das Rostrum 1, ein Passaloteuthis milleri PHILLIPS 1867 (Abb. 5). Aus dem anheftenden gräulichen Sediment wurde Parapassaloteuthis zieteni MAYER-EYMAR 1884 (Rostren 2 und 3) geborgen. Beide Belemnitengattungen reichen bis in die tenuicostatum-Zone des Unteren Lias ε (tc1a). Da die Monotisbank in der untersten bifrons-Zone angenommen wird, fehlt hier ein großes Schichtpaket von Sedimenten der Zone tc1b, oder das hier als Monotisbank bezeichnete Felspaket beinhaltet Teile der vorgenannten Schicht.

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Belemniten der Schichten 1 und 2a

Die Belemniten der Schicht 2a
Rostrum 4 zeigt vermutlich ein Fragment eines Acrocoelites (Acr.) gracilis  und Rostrum 5 Dactyloteuthis wrighti OPPEL 1856, obwohl dessen scharfe Ventralfurche hier allenfalls angedeutet ist. Diese beiden Rostren deuten schon die bifrons-Zone an (tc1c). Ebenfalls in diesen Bereich gehören die Rostren 7 bis 15: Acrocoelites (Acr.) oxyconus HEHL in ZIETEN 1831 (7 bis 9), ein weiterer Dactyloteuthis wrighti (10), sowie drei Dactyloteuthis incurvata ZIETEN 1831 (11 bis 13). Mit 90 mm Gesamtlänge ist incurvata 13 für diese Art eigentlich zu lang. Belemnit 15 wird als juveniler Acrocoelites (Acr.) ilminstrensis PHILLIPS 1867 betrachtet. Rostrum 6 ist dem Aussehen nach ein Dactyloteuthis brevisulcatus QUENSTEDT 1848 (Abb. 5), der jedoch, folgt man Schlegelmilch, erst in der nachfolgenden Subzone einsetzt. Schwegler bemerkt indes, dass Vorläufer durchaus schon unterhalb von Lias ζ vorkommen können.

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Belemniten der Schicht 2b


Die Belemniten der Schicht 2b
16 ist eine ca. 4 mm dicke, dunkel ockerbeige Lehmplatte, die mit vielen kleinen Muschelresten durchzogen ist. Auf dieser Platte befindet sich das 120 mm lange Epirostrum eines Youngibelus ohmdenensis SCHLEGELMILCH 1998 vergesellschaftet mit einem kleinen Dactyloteuthis irregularis SCHLOTHEIM 1813. Die Schicht 2b würde damit dem Untersten Lias ζ (tc2a, variabilis-Zone) zuzuordnen sein, der jedoch in Franken nur selten vorliegt.
17 und 18 zeigen zwei weitere Belemniten der Art ohmdenensis , das größere Rostrum mit 215 mm Länge. Die Rostren 19 und 20 werden aufgrund ihres subquadratischen Querschnitts zu Acrocoelites (Acr.) ilminstrensis (19)  oder Acrocoelites (Acr.) trisulculosus SIMPSON,1855 gestellt, der indes schon im Mittleren e ausläuft. 21 wird als Dactyloteuthis semistriata MÜNSTER 1830 betrachtet. Mit 29 bis 31 finden sich Vertreter der Art Dactyloteuthis wrighti, die schon aus Schicht 2a bekannt war. Damit ist die Zahl der Dactyloteuthiden jedoch erschöpft; es dominieren die Vertreter der Untergattungen Acrocoelites (Acrocoelites) sowie Acrocoelites (Odontobelus). So ist 23 vermutlich ein Acrocoelites (Acr.) triscissus JANENTSCH 1902 * (oder Acrocoelites (Odontobelus) pyramidalis MÜNSTER in ZIETEN 1831); die Rostren 24 bis 26 zählen zu Acrocoelites (Odontobelus) brevisulcatus QUENSTEDT 1848. 24 zeigt neben Lateral- und Ventralfurche(n) auch feine dorsale Rillen; in Rostrum 25 ist durch Abbrechen des Epirostrums der Apex des Orthorostrums zu erkennen. 27/28 werden zu Acrocoelites (Acr.) subtriscissus KOLB 1942* gerechnet. [*Anmerkung: Schlegelmilch fasst tricissus und subtricissus unter Acrocoelites (Acr.) conoideus OPPEL1856 zusammen, die nach ihm jedoch erst ab tc2c auftreten. Nach Doyle werden sie in England aber schon in der bifrons-Zone gefunden. Danach müsste m. E. conoideus auf tc1c rückdatiert werden.]

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Belemniten der Schicht 3


Die Belemniten der Schicht 3
Die blauen Tonsedimente der stratigraphisch obersten Schicht beinhalten vornehmlich Rostren der Gattung Dactyloteuthis. Dabei tritt in 32 bis 46 die ganze Variationsbreite von Dactyloteuthis irregularis SCHLOTHEIM 1813 auf: die bekannte fingerförmige Variante mit kurzer, scharfer Ventralfurche und nabelartiger Vertiefung des Apex, aber auch schlankere Formen mit leicht kegelförmiger Gestalt und weniger stark komprimiert, die auch über laterale Mulden verfügen können und damit noch an Dactyloteuthis incurvata erinnern. In der pfahlförmigen Form sind diese Rostren schon ähnlich Dactyloteuthis similis v. SEEBACH 1864, sie verfügen indes alle noch über eine Ventralfurche und teilweise auch apikale Gruben.
Neben den vorgenannten Dactyloteuthiden fanden sich auch Rostren mit drei Spitzenfurchen: 47 + 49 zeigen vermutlich Rostren von Acrocoelites (Acr.) oxyconus;
48 mit elliptischem Querschnitt wird zu Acrocoelites (Acr.) subtriscissus gestellt. Die Belemniten 50 + 51 sind gekennzeichnet durch eine lange, zur Alveole als flache Mulde auslaufende Ventralfurche, die zu einer ventralen Abplattung führt. Der Apex ist zum Rücken hin verlagert und gibt den Rostren eine gebogene Gestalt. Die Rostren erinnern an  Acrocoelites (Acr.)  quenstedti OPPEL 1856, der jedoch erst in der insigne-Subzone (tc2c) einsetzt. Dagegen sind die Rostren 53/54 aufgrund der fehlenden Ventralfurche eindeutig Acrocoelites (Acr.) glaber SIMPSON 1855 zuzuordnen. Eine Besonderheit bildet Rostrum 52 , das cf. Simpsonibelus dorsalis PHILLIPS,1867 darstellen könnte, einen kleinen, leicht subhastaten Belemniten, der von Doyle in England nachgewiesen wurde.
Die Schicht 3 wird, orientiert an den Belemnitenrostren, der thouarsense-Zone zugeordnet.


Zusammenfassung:
Aufgrund der vorliegenden Belemnitenstichprobe kann die stratigraphische Begrenzung des betrachteten Profils wie folgt vorgenommen werden: im Liegenden Lias ε tennuiostatum  Zone, im Hangenden Lias ζ thouarsense-Zone. Ein Beleg für das Vorliegen der falcifer-Zone kann nicht geführt werden. Auch ist die bifrons-Zone des Oberen Lias ε im Belemnitenmaterial weniger vertreten, als die nachfolgende variabilis- Zone des Unteren Lias ζ. Eine Unsicherheit besteht in der stratigraphischen Zuordnung des mit Monotis-Bank beschriebenen Felsbandes, sowie dessen stratigraphischer Reichweite.
Zum Abschluss der Grabung wurden Fragmente eines Ichthyosauriers (Abb. 8 + 9) gefunden und geborgen.
Die wissenschaftliche Ausarbeitung der Stratigraphie (Abb.10) steht noch aus.

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Wirbel eines Ichthyosauriers

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Die Bergung

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Stratigrafische Feinanalyse

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Nachlese in Sedimenten der Monotisbank


Literatur:
Doyle, P., 1990: The British Toarcian (Lower Jurassic) Belemnites, Part 1.
Kolb, H., 1942: Die Belemniten des jüngeren Lias ζ in Nord-Bayern, Z. deutsch.  Geol. Ges. 94, S. 145-168.
Röhl, H.-J., Schmid-Röhl, A., 2005: Lower Toarcian (Upper Liassic) black shales of the Central European Epcontinental basin: a sequence stratigraphic case study from the SW German Posidonia Shale, SEPM Special Publication No.82, S.165-189.
Schlegelmilch, R., 1998: Die Belemniten des süddeutschen Jura, Stuttgart.
Schwegler, E. 1961-1971: Revision der Belemniten des Schwäbischen Jura,
Palaeontographica Abt. A 116, Stuttgart.