Anke Vöge
Gesamtüberblick der Ausgrabung in Münchehagen
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Iguanodon aus dem Saurierpark Münchehagen |
Trittsiegel im Frühjahr 2006, voll Wasser gelaufen |
Unser Team beim Freilegen von neuen Trittsiegeln |
Anke vor dem freigelegten Trittsiegel |
Land-Wasser-Verteilung im Gebiet um Münchehagen (aus "Naturdenkmal "Saurierfährten", Fischer/Thies) |
Entstehung der Trittsiegel vor 140 Mill. Jahren (aus "Dinosaurier in Deutschland", Probst/Windolf) |
Trittsiegel von unserer Ausgrabung |
Drei von uns freigelegte Trittsiegel |
Christine aus Bückeburg war mit einer Hacke dabei den Boden zu lockern, Siegfried schaufelte den Abraum auf die Karre und fuhr diesen auf die Halde. Sobald die Rippelmarken zu sehen waren, wurde grob freigefegt und dann kamen Erika, Klaus und ich zum Einsatz. Wir haben mit Maurer- und Stuckateurkelle die Wellentäler freigelegt, mit Handfeger und Schaufel den Ton beiseite geräumt, danach dann alles schön säuberlich gebürstet. Es ist schon ein erhabenes Gefühl, als erster Mensch nach 140 Millionen Jahren auf diesen Rippelmarken zu stehen. Noch erhabener ist es, ein Trittsiegel freizulegen. So geschehen nach dreistündiger intensiver Arbeit. Wir hatten bei rund 20 qm zwei Rippelmarken freigelegt, als Frau Dr. Annette Richter eintraf. Sie erkannte sofort unseren 1. Trittsiegel. Nachdem sie ihn mit Kreide nachgezeichnet hatte, konnten auch wir ihn erkennen.
Diesen Erfolg nahmen wir zum Anlass, kräftig mit Mineralwasser anzustoßen und Mittag zu machen. Kurz nach der Pause fand unser Team noch einen schönen (auch für uns zu erkennen) Trittsiegel von einem Theropoden (fleischfressende Dinosauriergruppe). Ein dritter, nicht sofort eindeutig zu erkennender Trittsiegel wurde von uns auch noch freigelegt. Insgesamt wurden an diesem Tag 12 Abdrücke gefunden, aller Wahrscheinlichkeit nach größtenteils von Iguanodon, einem Vogelbeckendinosaurier (Ornithischier). Um 16 Uhr wurde die Grabungsaktion beendet, und wir waren uns alle einig: Das war ein toller Tag
Der Steinbruch, in dem die Grabungsaktion stattfand, liegt in den Rehburger Bergen am Steinhuder Meer, 150 Meter nordöstlich vom Dino-Park und Naturdenkmal Münchehagen entfernt. Bis in die 60er Jahre hinein war der Abbau von Sandstein ein wichtiger Erwerbszweig in diesem Gebiet. Heute existiert nur noch der Steinbruch F. Wesling.Das Naturdenkmal Saurierfährten wurde im Juli 1979 von dem Geologen F.-J. Harms entdeckt. Er besuchte verschiedene Steinbrüche in der Gegend, und ihm fielen die regelmäßigen Hohlräume auf dem Sohlboden auf. Da er mit den 70 km entfernten Barkhausener Fährten gut vertraut war, wusste er sofort, dass es sich um die Fährten von elefantenfüßigen Dinosauriern (Sauropoden) handeln musste. Zu dieser Zeit wurde der Steinbruch schon zur Ablagerung von Bauschutt genutzt und war von baldiger Auffüllung bedroht. Nur dem schnellen Handeln von F. J. Harms ist es zu verdanken, dass die Fährten erhalten blieben und so zu einer einmaligen Fundstelle nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa wurden. Es gibt keine weitere Lokalität, an der so viele Sauropoden-Fährten überliefert sind. Außerdem sind eine Vielzahl weiterer Strukturen, wie die Rippelmarken, Funde von Pflanzenresten (u.a. Treibhölzer) und Lebensspuren überliefert, die den Lebensraum der fährtenerzeugenden Saurier detailliert schildern.
Auf der Sohlfläche des Naturdenkmals sind 256 Trittsiegel festgestellt worden. Ein Teil davon schließen sich zu Fährten von mindestens sieben Individuen zusammen. Die rundlich ovalen Trittsiegel stammen von Saurieren mit elefantenfußartigen Beinen, der Gattung Apatosaurus, von etwa 15 m Länge und 5 m Höhe. Eine zweite Fährte stammt von einem Saurier, der zweibeinig lief und dessen Füße mit drei gespreizten Zehen vogelartig gebaut waren. Die 19 Trittsiegel stammen wahrscheinlich von einem Carnosaurier (Theropoden) von mindestens 7 - 9 m Länge und 5 m Höhe. Die harten Sandsteine des Steinbruchs waren ursprünglich lockere Quarzsande, die sich am Grunde eines großen Wasserbeckens zur Zeit der unteren Unterkreide (dem Wealden vor 139/140 Mill. Jahren) abgelagert haben.
Das Niedersächsische Becken war mit dem Meer nur wenig, oft überhaupt nicht verbunden, und deshalb süß bis brackig. Südlich von Hannover ragte eine große Landzunge, die „Hildesheimer Halbinsel“ in das Becken hinein. Zwischen ihr und dem Festland lag die „Deister-Hils-Bucht“, in die Flüsse mündeten und große Mengen Sediment herantrans-portierten. So bildete sich ein kompliziertes Delta, das durch Sandbarrensysteme zum Becken hin abgeschlossen war. Auf diesen Barren wie auch auf den Inseln im Delta und entlang der Ufer entwickelte sich eine reiche Pflanzenwelt. Sie war von Nadel- und Ginkgo Bäumen, Cycadeen, Farnen und Schachtelhalmen bestimmt. Im Wasser bzw. dem Schlamm des Deltas lebten Krebstierchen, Muscheln und Würmer. Diese semiaquatische (halb von Wasser bedeckte) Landschaft war ein idealer Lebensraum für pflanzenfressende Tiere, die Nahrung im Überfluss fanden.
Die aktuelle Grabung im Steinbruch Wesling umfasst die höchsten Anteile (Hangendes) des Hauptsandsteins innerhalb der Wealden-Ablagerungen. So ist es auch zu erklären, warum wir Spuren vom „jüngeren“, viel moderneren Pflanzenfresser Iguanodon freigelegt haben, der die Sauropoden zeitlich ablöste. Das Iguanodon mit seinem Entenschnabelähnlichen Maul hat seinen Namen vom heute lebenden grünen Leguan, dessen Zähne sich ähneln. Die Tiere erreichten eine Körperlänge von ca. 10 m. Die erwachsenen Tiere liefen oft auf allen Vieren, die Jungtiere wohl nur auf den Hinterbeinen.
Die Größe unserer freigelegten Siegel beträgt ca. 35 cm Breite und 30 cm Länge. Die Abdrücke sind alle mehr oder weniger gut erhalten, das liegt daran, dass es sich „nur“ um „undertracks“ handelt, d.h., es sind sozusagen „durchgepauste Tritte“, die sich nur in der festeren Schicht unter der ehemals weichen Original-Schicht abgeformt haben. Die Trittsiegel im Naturdenkmal sind von etwas anderer Erhaltung. Sie stellen jedoch ebenfalls undertracks dar. Sie sind wahrscheinlich in flachen Wassertümpeln entstanden, in denen die Wasserbewegung so gering war, dass die Spuren mit einer dünnen Schicht von Tonschlamm oder mit einem Filz von Algen überzogen wurden. Als eine neue Sandlage die Siegel zu füllen begann, blieb die Spur gegen Zerstörung geschützt. Das Tonhäutchen ist auch die Trennfuge zwischen dem Siegel und seiner Füllung (die Plombe), was allerdings auch für einige der Neufunde aus dem Hangenden gilt.
Zum Abschluss der Grabungsaktion 2006 werden alle Trittsiegel fotografiert, vermessen, kartiert, abgegossen und wenn es geht, geborgen, um in Ausstellungen präsentiert zu werden und so der Nachwelt erhalten bleiben. Besonderer Dank gilt Frau Dr. Annette Richter für die Durchsicht des Artikels.